Bund hat Anspruch auf virtuelle Hardthöhe
Von Alexander Kleinjung
[12.09.2001 · 16:00 Uhr | Update] In einem am heutigen Nachmittag
verkündeten Urteil hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter dem Vorsitz von Richter Hermann Oltrogge
festgestellt, dass der Bund Anspruch auf die Domain verteidigungsministerium.de hat. Dies bestätigte der Sprecher des Gerichts, Dr. Kemper,
gegenüber AdvoGraf.
Infos über Kriegsdienstverweigerung statt virtueller Hardthöhe
Wer sich unter streitigen Domain über die Hardthöhe informieren wollte,
staunte nicht schlecht: weder Details über einen badenden Rudolf Scharping
noch Informationen über Aufgabe und Struktur der Bundeswehr finden sich auf
der Domain, die der 19jährige Auszubildende und Ex-Zivi Marian Müller als
Lehrte zusammen mit Freunden betreibt.
Statt dessen werden dem Besucher Informationen zum Thema
Kriegsdienstverweigerung angeboten. Optisch ansprechend aufbereitet,
inhaltlich jedoch eher mager und auch nicht immer ganz zutreffend.
Für Ärger sorgte auch ein von den Betreibern angebotener FreeMailer, bei dem
sich Interessierte auch schon mal "rudolf.scharping@verteidigungsministerium.de" als
Zweitadresse holen konnten.
Bund sieht Namensrechte verletzt
Das Bundesministerium für Verteidigung,
umgangssprachlich "Verteidigungsministerium" genannt, berief sich auf seine Namensrechte aus
§ 12 BGB, von dessen Schutz auch
Künstler- oder Spitznamen umfasst werden. Weite Teile der Rechtsprechung dehnen diese
Schutzwirkung inzwischen auch auf umgangssprachliche Bezeichnungen aus, um eine Zuordnungsverwirrung
zu verhindern.
Betreiber: Generischer Begriff statt Namenszeichen
Die Betreiber, die pikanterweise von dem eher für seine Massenabmahnungen
bekannten Münchener Rechtsanwalt Günter
Freiherr von Gravenreuth vertreten werden, halten diese Argumentation für absurd.
"Verteidigungsministerium" sei ein generischer, also rein beschreibender
Begriff. So werde beispielsweise das Pentagon in der Presseberichterstattung
auch als "amerikanisches Verteidigungsministerium" bezeichnet, ohne dass es
zu Irritationen bei der Scharping-Behörde komme.
Zudem laute die offizielle Bezeichnung der Bundesbehörde "Bundesministerium
für Verteidigung", wie in Art. 65a Grundgesetz nachzulesen sei.
Ebenfalls unklar war für die Betreiber, wieso ausgerechnet die
Wehrbereichsverwaltung II in Hannover für den Bund in den Ring gestiegen
war, da weder deren Zuständigkeit noch Bevollmächtigung nach Gravenreuths
Ansicht vor Gericht nicht ausreichend dargelegt werden konnte.
Verkehrte Welt
Zusätzliche Brisanz erfuhr der Fall dadurch, dass das klagende Ministerium
durch Rechtsanwalt Michael Horak
vertreten wurde, der auch dem Vorstand der Netz-Initiative
Freedom for Links eV (FFL)
angehört und sich teilweise schweren persönlichen Angriffen ausgesetzt sah.
Der Vorstand des FFL versuchte später, mit einer offiziellen Stellungnahme,
den Vorwurf der Interessenkollision zu entkräften und mehr Sachlichkeit in die
Diskussion zu bringen.
Begrüssenswerte Entscheidung
So kritisch man den Griff der öffentlichen Hand nach Domainnamen betrachten
muss, so richtig ist diese Entscheidung, die u.a. dem LG Köln in Sachen
"zivildienst.de" folgt.
Wie in diesem Fall sieht das Landgericht Hannover im heute verkündeten Urteil eine
Zuordnungsverwirrung für gegeben, die das Bundesministerium nicht hinnehmen müsse und
durch die die Interessen des Bundes tangiert würden.
Insbesondere der von den Betreibern bemühte Hinweis auf das Grundrecht der
freien Meinungsäusserung aus Art. 5 GG geht in diesem Fall fehl: Zum einen wird seit langem eine identische
Spiegelung der Seite unter der Adresse "verweigerungsministerium.de" angeboten, zum anderen sind
anerkannte Kriegsdiensterweigerungs-Initiativen, beispielsweise die "Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär" oder die
"Zentralstelle KDV" seit langem
im Netz aktiv, ohne mit geltendem Recht zu kollidieren.
Wohl keine Berufung
In einer ersten Stellungnahme zeigten sich die Betreiber vom Urteil
enttäuscht. Da ihnen jedoch der finanzielle Background für einen
langwierigen Prozess fehle, werde man wohl keine Berufung einlegen und die
Arbeit nur noch unter der Ersatzadresse "verweigerungsministerium.de"
fortführen.
Unklar ist gegenwärtig, ob den unterlegenen Betreibern zum Zeitpunkt dieses Statements schon
bekannt war, dass das Gericht den Streitwert auf DM 20.000,00 herabgesetzt hat, nachdem der Bund
ursprünglich mit einem Streitwert von DM 100.000,00 angegriffen hatte. Insoweit wäre das
Prozeßkostenrisiko für eine Berufung zum OLG Celle durchaus überschaubar, zumal
die Online-Initiative INTERROB.ORG mehrfach
öffentlich angekündigt hatte, den Fall notfalls bis zum Bundesgerichtshof zu unterstützen.
[AK 12.09.2001]
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