Gegenwind aus wechselnden Richtungen
[12.12.2000 | Update] Am heutigen Dienstag (12.) fand in Berlin ein
weiteres Verfahren in Sachen FTP-Explorer statt. Auch hier ist ähnlich
wie im Fall Stefan Münz ./. Symicron (AdvoGraf
berichtete) der angebliche Markenrechtsverletzer in die Offensive gegangen
und hat eine Abmahnung mit einer Gegenklage gekontert.
Die Berliner Speedlink GmbH
hat am 05.05.2000 eine negative
Feststellungsklage gegen die Symicron
GmbH eingereicht, die die Marke "Explorer" in Deutschland geschützt hat.
Der Berliner Internet-Provider weigert sich, die Kosten einer Abmahnung zu zahlen und hat sogar
wegen versuchten Betruges (Gebührenüberhöhung) eine Strafanzeige
gegen Symicrons Anwalt ("Rechts"-Vertreter wäre in diesem Zusammenhang nach
Meinung vieler Netizens möglicherweise nicht der richtige Begriff)
Günter Frhr. v. Gravenreuth
erstattet, die kurz darauf noch erweitert und von Gravenreuth mit einer Gegenanzeige gekontert wurde. Diese Anzeige wird derzeit jedoch nicht verhandelt, sondern
eine Abmahnung.
Mal wieder FTP-Explorer
Grund der Abmahnung war auch hier das Setzen eines Links zum US-amerikanischen
Hersteller des Programms FTP-Explorer. Speedlink will mit seiner Klage feststellen lassen, dass durch das
Setzen des Links zur Startseite der FTPx Corp.
(ausdrücklich nicht zu der Seite, auf der das Programm zum Download angeboten wird) keine
Rechte der beklagten Firma Symicron verletzt wurden.
Wie Speedlink zeigt, haben auch die Gegner von Symicron inzwischen Anwälte gefunden, die dem
"seit fast 20 Jahren" im Urheber- und Markenrecht tätigen Gravenreuth
Paroli bieten können. Bei den Richtern scheint sich ebenfalls zumindest außerhalb der
bayerischen Landeshauptstadt langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass im Bereich des Internet das
Markenrecht zwar nicht neu geschrieben, aber zumindest doch in Teilen neu interpretiert werden muss.
Die Nerven liegen blank
Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb Gravenreuth es vorgezogen hat, nicht selbst vor dem Berliner
Landgericht zu erscheinen, sondern einen ortsansässigen Kollegen mit Untervollmacht zu versehen. Die
freiherrliche Erklärung, wonach sein Flug von München nach Berlin im Zweifel nicht erstattungsfähig sei,
ist spätestens seit dem Angebot von Speedlink, im Falle einer Niederlage die Reisekosten zu erstatten, obsolet.
Auch seine Rechnung, wonach die lange Anreisezeit in keinem Verhältnis zum Verdienst stehe,
vermag nicht zu überzeugen, denn die Anreise nach Düsseldorf im Verfahren Münz gegen
Symicron war nur unwesentlich kürzer. Vielmehr scheint Gravenreuth in Berlin ein zweites Düsseldorf,
namentlich einen weiter gestiegenen "IQ der Richter" zu fürchten
und daher vorzuziehen, eine mögliche Schlappe auf den Sitzungsvertreter vor Ort abwälzen zu können.
Wie blank Gravenreuths Nerven liegen, zeigt seine Terminsvorbereitung. Von der noch im Oktober vertretenen
Auffassung, man käme wohl auch weiterhin mit der "Standardargumentation" durch, ist nichts mehr
zu spüren. Im Gegenteil: Wie von Speedlink-Geschäftsführer Dietrich von Hase zu erfahren war,
hat Gravenreuth das Gericht über die angeblich gegen ihn geäusserten "Morddrohungen"
(1) in diversen
Foren informiert, "höchst vorsorglich" auf etwaige Störer der Verhandlung hingewiesen und einem
im JuraMail-Forum am 27.11.2000
veröffentlichten leicht sado-
masochistisch angehauchten Comic gegen seine Person einen eigenen Schriftsatz gewidmet.
Einen geschmacklich eventuell fragwürdigen Comic, von dem sich die Speedlink-Geschäftsführung
gegenüber AdvoGraf ausdrücklich distanziert hat, als Verteidigungsmittel in einem Prozess vorzubringen
und zu den Gerichtsakten zu reichen, hat schon realsatirische Züge.
Spielt die Musik in München weiter?
Im Gegensatz zum Verfahren Münz ./. Symicron hatte Gravenreuth allerdings parallel zur negativen
Feststellungsklage von Speedlink eine Leistungsklage in München erhoben, wodurch eine juristisch
komplexe Situation entstanden ist:
Im Berliner Verfahren wird nun zu klären sein, ob Speedlink durch einen Link auf die Website des
amerikanischen Unternehmens FTPx Corp., von der u.a. der "FTP-Explorer" downgeloadet werden kann,
die Rechte der von Symicron in Deutschland eingetragenen Wortmarke "Explorer" verletzt hat, während
in München die Frage zu verhandeln ist, ob die von Gravenreuth im Auftrag von Symicron ausgesprochene
Abmahnung rechtens war und Speedlink die Kosten zu tragen hat.
Nachdem die Kostenklage vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung der negativen Feststellungsklage
erhoben war, hat dieses Verfahren prozessualen Vorrang vor dem negativen Feststellungsinteresse im Berliner Verfahren.
Gravenreuth könnte es damit geschafft haben, trotz des Eröffnungszuges von Speedlink, die Sache in
heimische Gefilde zu ziehen ob das alleine zum Obsiegen reichen wird, sei zunächst dahingestellt.
Ein Desaster für Gravenreuth
[Update vom 12.12.2000, 15:30 Uhr]
Wie soeben von Speedlink-Geschäftsführer Dietrich von Hase und Speedlink-Anwalt Dr. Jaschinski zu
erfahren war, geriet der mündliche Termin vor dem Landgericht Berlin zu einem Waterloo für den in
Untervollmacht erschienenen Symicronvertreter: Wie bereits in Düsseldorf sahen auch die Berliner Richter in
"Explorer" eine extrem schwache Marke, bei der der Zusatz "FTP" vollkommen ausreiche, um
eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Das Urteil wird für den heutigen Spätnachmittag erwartet.
Vollkommen unbeeindruckt zeigte sich das Gericht von der zwischenzeitlich in München erhobenen Kostenklage
Gravenreuths, durch die das negative Feststellungsinteresse von Speedlink entgegen freiherrlicher Rechtsauffassung
keinesfalls hinfällig geworden sei.
Für den Fall, dass Symicron gegen diesen Richterspruch Berufung einlegt, könnte es zu einer absurden
Situation kommen: während in Berlin (noch nicht rechtskräftig) festgestellt wurde, dass Speedlink eben keine
Symicronschen Rechte verletzt hat, könnte das LG München eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten und
Speedlink zur Zahlung der geltend gemachten Abmahngebühren (wohl auch nicht rechtskräftig) verurteilen. Um
zwei sich in der Sache letztlich widersprechenden Urteilen vorzubeugen, steht zu erwarten, dass Speedlink nun vor dem
Landgericht München die Aussetzung der Kostenklage bis zum rechtskräftigen Abschluss der Berliner
Feststellungsklage beantragen wird.
Weiterführende Informationen und die gesamte Dokumentation des Verfahrens sind auf der
Speedlink-Website zu finden.
Netizens forschen nach dem Explorer
Aber auch private Initiativen stellen sich gegen Symicron, bei denen es sich scheinbar maximal um
eine "Briefkastenfirmi" (2) handelt welche Firma mit
einem (zumindest in der Vergangenheit vorhandenen) Umsatz im zweistelligen
Millionenbereich kann es sich schon leisten, Kundenanfragen per Post, Mail und Telefon komplett zu ignorieren?
So wurde ein Aufruf gestartet, um zumindest eines der angeblich
vorhandenen Produkte dieser Firma zu finden.
Bisher war dieser Aktion kein Erfolg beschieden, was die letzten Zweifel bei der Beantwortung der Frage
ausräumen dürfte, ob die fragliche Firma außer heißer Luft und fragwürdigen
Markeneinträgen überhaupt irgend etwas anzubieten hat.
Alleine Gravenreuths Gebahren in diversen Foren, in denen er genüsslich der erstaunten Netzgemeinde
verkündet, dass bereits Microsoft, mit gerichtlicher Überzeugung "fast freiwilliger" Lizenznehmer
von Symicron, einen Privatdetektiv mit der Suche nach dem "Explorer" betraut hatte und ausserdem der
bisherige "Jackpot" noch nicht hoch genug sei, um sich zur Existenz eines "Explorers® by
Symicron" näher einzulassen, legen nahe, dass es sich bei der vehement verteidigten Marke aus Ratingen um
eine extrem dreiste Abzockernummer handelt.
Gegenwind für Luftnummern vom BGH
Das aktuelle BGH-Urteil im Fall E-Klasse gibt weitere Hoffnung, dass nicht nur jahreszeitlich bedingt den
Markengrabbern und Serienabmahnern ein schärferer Wind ins Gesicht bläst.
Gerade dem stolzen Katholiken Gravenreuth sollte dies schon einmal untergekommen sein:
"Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten.";
Hosea 8,7
[1] |
Zu den "Morddrohungen" gegen Gravenreuth vgl. Andreas
Klostermaiers psychologische Ausführungen und Parallelen zum
"Tyrannenmord" vom 12.12.2000 bei
JuraMail |
[2] |
siehe auch den bekannten
Vater-Sohn-Dialog von Gerhard
Polt |
[HS|AK 11.12.2000]
|