 |
 |
Wie lange eigentlich noch, Gravenreuth, willst du unsere Geduld mißbrauchen?
Wie lange noch wird diese deine Raserei uns verspotten? Bis zu welchem Ende
wird sich deine zügellose Frechheit brüsten? Bewegen dich überhaupt nicht die
Schutzmaßnahmen der Betreiber, die Disclaimer der Homepages, die Besorgnis
der Netizens, der Zusammenhalt aller Gutgesinnten, wie stark dieser Ort
gesichert ist, noch der Gesichtsausdruck der Anwesenden? Fühlst du nicht, daß
deine Pläne offenbart sind, siehst du nicht, daß deine Verschwörung schon
lahmgelegt ist und nun niedergehalten wird durch unser aller Kenntnis? Wer
von uns, glaubst du, weiß nicht, was du in den vergangenen Jahren, was die
Zeit davor getan hast, wo du gewesen bist, wen du zusammengerufen hast,
welchen Plan du gefaßt hast?
Was für Zeiten, was für Sitten! Die Gerichte wissen um diese Dinge, die
Richter sehen sie; dieser lebt dennoch. Lebt? Ja, er kommt sogar in das
Gericht, nimmt an einer öffentlichen Versammlung teil, bestimmt jeden von uns
mit den Augen zum Tode. Aber wir tapferen Männer glauben, genug für den Staat
zu tun, wenn wir dessen wahnsinnigem Toben und seinen Waffen aus dem Weg
gehen. Es hätte sich schon längst gehört, daß du, Gravenreuth, auf Befehl des
Standesgerichts vernichtet worden wärst, daß das Unheil, das du schon lange
gegen uns planst, über dich kommt.
Und wir Netizens nehmen einen Gravenreuth hin, der das ganze Internet mit
Klage und Abmahnung zu verwüsten gedenkt? Es gab, ja es gab einst in diesem
Netz noch die Tapferkeit, daß mutige Männer einen unheilstiftenden Bürger
durch härtere Strafen in seine Schranken verwiesen als den erbittertsten
Feind. Wir haben einen Beschluß gegen dich, Gravenreuth, einen sehr strengen
und schwerwiegenden, es fehlt nicht an einer Entscheidung des Staates noch an
der Macht unserer Stellung. Bei uns, ich sage es offen, bei uns Netizens liegt
es jetzt.
Nichts tust du, nichts erreichst du, und dennoch läßt du nicht ab, das zu
wollen und zu versuchen. Wie oft schon ist dir dieser Dolch aus den Händen
entwunden worden, wie oft entfiel dir der Dolch durch Zufall und entglitt
dir!
Was für eines ist aber jetzt dieses dein Leben? Ich will nämlich jetzt so mit
dir reden, daß ich nicht von Haß bewegt zu sein scheine, wie ich müßte,
sondern daß ich von Mitleid bewegt zu sein scheine, das man dir nicht
schuldet. Du kamst kurz zuvor in das Gericht. Wer aus dieser zahlreich
versammelten Menge, wer von deinen vielen Freunden und Bekannten hat dich
gegrüßt? Wenn dies seit Menschengedenken niemandem widerfahren ist, erwartest
du (etwa) eine Beschimpfung, obwohl du schon durch die sehr schwerwiegende
Verurteilung des Schweigens überwältigt worden bist? Was glaubst du, mit
welchem Gefühl du ertragen mußt, daß bei deiner Ankunft diese Stühle in
deiner Nähe leergeworden sind, daß eben dieser Teil der Sitzreihen leer und
unbesetzt zurückgelassen haben, sobald du dich niedergesetzt hast.
So geht man mit dir um und spricht gewissermaßen stumm: "Seit einigen Jahren
schon geschah keine Untat mehr außer durch dich, kein Verbrechen ohne dich,
der Mord an vielen Homepages, das Quälen und die Ausplünderung vieler Netizens
blieb nur bei dir unbestraft und frei; du warst nicht nur stark beim
Mißachten der Gesetze und gerichtlichen Untersuchungen, sondern auch beim
Verdrehen und Brechen. Jene zurückliegenden Dinge, obwohl sie nicht zu
ertragen waren, habe ich dennoch, so gut ich konnte, ausgehalten. Aber jetzt
ist nicht mehr zu ertragen, daß ich allein wegen dir bei der erstbesten
Regung ganz in Angst bin, daß Gravenreuth gefürchtet wird, daß anscheinend
kein Plan gegen mich gefaßt werden kann, der mit deinem Verbrechen nichts zu
tun hätte. Aus diesem Grund verschwinde und befreie mich von dieser Angst;
wenn sie berechtigt ist, damit ich nicht erdrückt werde, falls sie
unbegründet ist, daß ich irgendwann einmal endlich aufhören kann mich zu
fürchten."
Ein Gastbeitrag von
Eckard
Wolff-Postler
Der Beitrag entstand in Anlehnung an Ciceros Erste Rede "In Catilinam" (Gegen
Catilina), die er nach Aufdeckung der Verschwörung Catilinas im Jahre 58 v.Chr. gehalten hatte
(lateinischer
Originaltext; deutsche
Übersetzung).
|