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Die Rezension
Folge 1 vom 26.01.2001
Folge 2 vom 09.02.2001
Folge 3 vom 21.02.2001
Folge 4 vom 03.03.2001
Folge 5 vom 06.06.2001
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Die Entführung der Explora S. | Exclusiver Vorabdruck des neuen Romans von P. L. Agiatus auf AdvoGraf

Homeless' letzter Fall

Von P. L. Agiatus  •  Folge 4   [online seit 03.03.2001]


Bei tropischer Hitze entstieg Explora der Maschine der Air France und ließ sich im Taxi sofort zum Hotel Carom's International fahren. Nach drei Tagen Aufenthalt in Paris, wo sie sich völlig neu eingekleidet hatte, war sie nach Nassau geflogen, wo sie am folgenden Tag eine dreiwöchige Reise auf dem türkischen Kreuzfahrer "Arastirici" beginnen sollte. Zuvor hatte sie aber noch ein paar Dinge zu erledigen. Als erstes führte sie ein kurzes Telefonat mit der "Banque National de Chercheur sans Honneur" und verabredete einen Termin mit dem Bankdirektor Frank N. Stein. Dann ging sie unter die Dusche und ließ anschließend den Hotelfriseur kommen, um die Frisur in Ordnung zu bringen zu lassen. Während der schwarze Friseur ihr die Haare trocknete, dachte sie kurz über ihren letzten Coup bei der schweizerischen Softwieniecs nach, die sie mit einem simplen Trick um fast 1,8 Mio. Franken erleichtert hatte. "Die werden ganz schön dumm aus der Wäsche gucken, wenn sie das merken", dachte sie. Im Prinzip war es ziemlich unwahrscheinlich, daß der Verlust so rasch auffiel, aber die Vorstellung, daß der schmierige Betriebsleiter F. Ett dann seinen Hut nehmen mußte, gefiel Explora ausnehmend gut. Er hatte mehrfach versucht, mit ihr anzubandeln.
Um 15:30 Uhr ließ sie sich ein Taxi rufen und fuhr direkt zur Bank. Direktor Frank N. Stein erwies sich als charmanter Mittvierziger mit leicht graumelierten Schläfen, vollem Haar und vollendeten Manieren. Der Bankier musterte unauffällig die attraktive junge Dame. "Die weiß, was sie will", dachte er bei sich, "wenn Sonja nur etwas von dieser Energie hätte." Sonja war seine zweite Frau, gut aussehend aber recht anspruchslos und kaum in der Lage, mehr als Smalltalk zu führen. Stein seufzte innerlich, konzentrierte sich dann aber auf sein attraktives Gegenüber. "Selbstverständlich können wir Ihnen sofort ein Nummernkonto einrichten, Frau Symson. An welchen Betrag hatten Sie bei Ihrer Einlage gedacht?" Er zuckte mit keiner Miene, als Explora ihm die Summe nannte, und veranlasste umgehend die nötigen Formalitäten. Nach einer knappen Viertelstunde war Explore Kunde der Bank. "Ich möchte Sie bitten, die besprochenen Transaktionen noch heute telegrafisch zu veranlassen. Bis morgen nachmittag drei Uhr erwarte ich dann Ihre Nachricht", sagte Explora zum Abschied. "Danach werde ich für einige Zeit nicht erreichbar sein. Aber in vier bis sechs Wochen besprechen wir dann die weiteren Geschäfte", fügte sie noch hinzu. Der Bankier ließ es sich nicht nehmen, Explora in der bankeigenen Limousine zum Hotel zurückbringen zu lassen. "Machen Sie mir eine Verbindung mit Palermo", sagte er zu seiner Sekretärin, als Explora verschwunden war.

Doc Watton genoß die Reise. Er hatte in London eine Maschine nach Stockholm bestiegen, war dort sofort nach Kopenhagen umgestiegen, mit dem Bus über die Vogelfluglinie nach Deutschland gereist und hatte sich dann entschlossen, mit der Bahn nach München zu fahren. Er saß allein in einem Abteil erster Klasse. Wie er dieses Land liebte. Vor dem Weltkrieg hatte er in der Nähe von Koblenz gelebt, von diversen Reisen nach 1945 kannte er das Land besser als England, wo er nie so richtig heimisch geworden war. Er schwelgte in seinen Erinnerungen und schlief dabei ein. Als er erwachte, war es dunkel. Kurz danach erreichte der Zug München Hauptbahnhof. Doc Watton beschloß, den Besuch bei Groithenraff auf den kommenden Tag zu schieben. Das gab ihm Gelegenheit, noch ein wenig durch das nächtliche Schwabing zu streifen und ein paar Erinnerungen an seine Studentenzeit aufzufrischen. In den 30er Jahren war München gewissermaßen seine Stadt gewesen. Damals hieß er natürlich noch nicht Watton. Diesen Namen hatte er sich erst auf der Flucht vor den Alliierten zugelegt. Seine Überlegung, daß man einen Angeklagten der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse kaum in unmittelbarer Nähe vermuten würde, hatte sich bis heute bewahrheitet. Zudem hatte Nachkriegsdeutschland ziemlich wenig Interesse gezeigt, der Angeklagten der Prozesse ernsthaft habhaft zu werden. Nun, das war lange vorbei, an die Wirren nach 1945 zu denken, machte weniger Freude als an die lustigen Zeiten in der Burschenschaft. Seine erste Liebe hatte er auch in der Stadt gefunden, ein dralles Judenmädchen, obwohl er katholisch war. Ja, es war eine schöne Zeit gewesen, damals.

Shylog Homeless hatte zunächst den Weg Richtung Südküste eingeschlagen, sich dann auf einem Fischtrawler nach Nordspanien bringen lassen; zwei Tage hatte er mit Seekankheit unter Deck gelegen. Schließlich hatte er in Gijón ein gebrauchtes Auto gekauft. Mit diesem wollte er durch Andorra und Frankreich bis München fahren. Den Aufwand betrieb er nicht etwa, weil er annahm, daß er verfolgt wurde, sondern weil es ihm Spaß machte sich zu tarnen, und er gerne reiste. Außerdem reichten die Spesen, die man einem so berühntem Detektiv wie ihm zahlte, für manche Extravaganz. Die Hauptaufgabe würde sowieso Doc Watton lösen, das war schließlich nicht seine Aufgabe im Team.
Kurz vor Santa Coloma hatte Homeless eine Reifenpanne am rechten Hinterrad. Fluchend hielt er an. Weit und breit war kein anderes Fahrzeug zu sehen. Homeless stieg aus und öffnete den Kofferraum, um das Reserverad auszuladen, das unter seinem Gepäck lag. Er stapelte sein Gepäck rechts neben dem Fahrzeug auf einem nahezu ebenen Fels und setzte den Wagenheber an. Aus der Ferne näherte sich ein Fahrzeug. Zu sehen war es zwar nicht, aber dem Geräusch nach mußte es sich um ein Motorrad handeln. Homeless legte die Kurbel des Wagenhebers wieder zur Seite. So ein Glück, vielleicht konnte er den Fahrer bitten, im nächsten Ort Bescheid zu geben und einen Mechaniker zu schicken. Er stand auf, um sich bemerkbar zu machen. Ein talwärts fahrendes Motorrad näherte sich mit aufgeblendetem Scheinwerfer. "Eine Enduro 1200 SX24.TV von Baller; Mann, hat die einen Zahn drauf", kombinierte Homeless. Er konnte den Fahrer gegen die Sonne kaum ausmachen. Homeless winkte ihm zu, um zu signalisieren, daß er Hilfe brauchte. Instinktiv wich Homeless zum Straßenrand hin zurück, als der Fahrer trotz allem keine Anstalten machte, die Fahrt zu verlangsamen. Kurz bevor das Motorrad Homeless' halb aufgebockten Wagen passierte, warf der Fahrer einen Gegenstand in Richtung des Fahrzeugs. Homeless hechtete von der Straße auf die tiefer gelegene Wiese. Die Handgranate, denn um eine solche handelte es sich zweifellos, würde von seinem Klasse Kleinwagen nicht viel übrig lassen, das war klar. Aber nichts geschah, es blieb völlig ruhig. Als Homeless sich schließlich vorsichtig erhob, sah er das Motorrad in der nächsten Serpentine weiter unten fahren. Er klopfte sich die Gräser vom Mantel und versuchte mühsam, den Dung vom Hosenbein zu entfernen. Bei seiner Blitzaktion war er wohl direkt in einem alten Kuhfladen gelandet. 'RinderCola zischt und erfrischt!' stand auf der Getränkedose, die Homeless neben dem linken Vorderrad fand. "Ein Deutscher, auch das noch!" war alles, was ihm dazu einfiel. Der Vorfall und seine Überreaktion beschäftigten ihn sowohl beim Reifenwechsel als auch währen der weiteren Fahrt.
Als er spät abends Andorra-Stadt erreichte, bemerkte er daher Marc Aroni von der Pastabande nicht, der am Stadteingang auf der Lauer lag. "Er ist da", flüsterte Aroni in sein Mobiltelefon und folgte dem Detektiv in gehörigem Abstand. Homeless wollte zunächst weiterfahren, angesichts der unbekannten Strecke und der Dunkelheit zog er es dann aber doch vor, in einem Hotel zu übernachten. Am Empfang der etwas großspurig als "Grand Hotel" bezeichneten Unterkunft trug er sich bei einer jungen Tanja ins Gästebuch ein. "Damned", dachte er bei ihrem Anblick, "vor twenty years hätte mich nichts abgehalten der als Singel 'at the underwear' zu gehen." Er zwinkerte ihr zu; sie aber zog nur die Nase kraus, vermutlich wegen der Reste des Kuhfladens.



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Illustrationen: Uli Hesse

 

 
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