Der Abmahnwahn treibt immer buntere Blüten. AdvoGraf kann nicht auf alle Fälle eingehen,
aber manches ist so kurios oder schon realitätsfern, dass man wirklich nur noch sagen kann:
"auch das noch!": Das wirklich Allerletzte zum Thema Abmahnwahn.
Humor: unbezahlbar!
von Alexander Kleinjung
Humor soll bekanntlich gesund sein und Leute, die über sich selbst lachen
können, gelten gemeinhin als umgängliche Zeitgenossen, die sich selbst nicht zu
wichtig nehmen. Mit Humor lässt sich zudem eine Menge Geld verdienen, Humor
peppt auf und kann, in der Werbung treffsicher eingesetzt, den Mitbewerber alt aussehen
lassen.
Und manchmal sind es erst die humoristisch-satirisch überspitzten Schwächen, die
einen Menschen oder eine Sache liebenswert machen: der Autovermieter SIXT zeigt in einer Anzeigenkampagne für Miet-Cabriolets Angela Merkel
mit "Sturmfrisur" und die CDU-Vorsitzende nimmt es gelassen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder wird
mit seiner "Flasche Bier" musikalisch durch den Kakao gezogen und trägt's
mit Fassung. Alles noch harmlos gegen die fast schon legendären Helmut-Kohl-Satiren, die des
Altkanzlers Birnengesicht schon mal mit Blatt und Stiel zeigten.
Auch das Kreditkartenunternehmen EuroCard/MasterCard setzt in seinen TV-Spots auf feindosierte Satire: nach zwei
Produkten mit Preis kommt eine "unbezahlbare" Erkenntnis. Beispiel aus einem der
neueren Spots:
Familie mit Kindern in einem Mini-Van. Preise für eine Tankfüllung und ein
Frühstück auf der Autobahn mit Preiseinblendung, garniert mit der Feststellung: "Ankommen,
ohne dass einer pupst: unbezahlbar."
Doch wehe, wenn das Unternehmen selbst in den Focus von Satirikern rückt: dann wird Humor
schnell zu einem unbezahlbaren Luxus. So drohen denn auch der Hackerwebseite Attrition.org Ungemach und Post mit Kostennote, weil
man den Werbestil der Kreditkartenfirma in etwas derber Art parodierte. Beispiel gefällig?
Auf einem der harmloseren Bilder ist eine Eiskunstläuferin mit verrutschtem
Dekolletee zu erkennen. Kommentar der Hacker: "Das perfekte Outfit, um bei den olympischen Spielen zu
laufen: 500 Dollar. Ohrringe von Wal-Mart: 2 Dollar. Vergessen, bei der nationalen Fernsehübertragung einen
trägerlosen BH anzuziehen: unbezahlbar!"
Nun, denn wollen wir uns auch mal als Werbetexter versuchen: Jahresgebühr für eine Kreditkarte:
20 Euro. Einen Monat mit Flatrate im Internet surfen: 40 Euro. Merken, wenn man sich selbst zu wichtig nimmt
und deutlich über das Ziel hinausschießt: unbezahlbar!
Ja, es stimmt wirklich: Es gibt Dinge im Leben, die kann man einfach nicht kaufen. Und für alles
andere gibt es...
Quelle:
SPIEGEL Online vom
02.07.2001
[AK 02.07.2001]
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